22. Oktober 2014
6 Minuten zu lesen

Brugg in Motion: Timelapse Projekt aus Brugg AG

Brugg in MotionGut gemachte Zeitraffer-Aufnahmen finde ich nach wie vor toll und poste hier immer mal wieder einige Leckerbissen. Das Projekt «Brugg in Motion» stammt von Martin Gessler, einem Bekannten von mir, und zeigt die Stadt Brugg in einem speziellen Licht. Für mich natürlich besonders interessant, habe ich doch einige Jahre in Brugg gelebt und bin dort auch 4 Jahre zur Schule, also ein «must see» für mich. Bei einem Timelapse Projekt steckt jeweils viel Aufwand dahinter und es ist immer interessant zu erfahren was den Ersteller motiviert hat. Martin war so nett und teilt mit uns seine Geschichte hinter «Brugg in Motion», das Timelapse-Video ist am Schluss des Artikels zu sehen.

Projektbeschreibung

Der Urspung des Projektes liegt im Jahr 1956. Mein Grossvater Armin Gessler, welcher 1947 ein Fotogeschäft in Brugg eröffnete, drehte einen 16mm Farbfilm über die Stadt Brugg. Im Film werden die kulturellen Aspekte (Jugendfest) sowie lokale Abläufe gezeigt und sind ein rares Zeitdokument der 50iger Jahre über die Kleinstadt am Wasserschloss der Schweiz. Zudem stellte sich damals die Vertonung und der Schnitt als grosse Herausforderungen heraus, auch weil das Medium Film für die Allgemeinheit noch recht teuer in der Anschaffung war (vor allem die Filmrollen)

Mein Vater, Max Gessler restaurierte dann den Film im Jahr 2003 auf digitaler Basis. Das Originalmaterial hatte recht gelitten und musste mit einem verbunden Investment von mehreren tausend Franken aufwendig restauriert werden. Am schlimmsten hat es die Tonspur getroffen, allerdings konnte man auch diese noch retten. Im Jahr 2006 drehte dann Max Gessler, aufgrund des 50 jährigen Jubliäums, den Film nach und zwar Schnitt für Schnitt aus den gleichen Perspektiven. Die alte und neue Version wurde dann auf der Leinwand nebeneinander gezeigt, was die Unterschiede eines halben Jahrhunderts noch besser aufzeigte und vor allem auch viel Emotionen und Schmunzeln auslöst.

Mein Ziel ist es nun, das Projekt weiterleben zu lassen. Das Projekt «Brugg in Motion» soll die Stadt aus einer neuen Perspektive zeigen, mittels modernster Technik, welche auch vor 10 Jahren noch nicht möglich war. Wie das Endresultat aussieht weiss ich noch nicht, derzeit produziere ich nur «Trailer» auch weil ich viel Content für eine grössere Produktion brauche.
Bis im Jahr 2016 soll ebenfalls ein neuer Film entstehen, somit 60 Jahre nach dem Ursprungsmaterial. Sofern alles klappt und er Lust hat, wird dann mein Sohn Gian im Jahr 2056 zur hundertjährigen Jubiläum einen vierten Teil drehen. Er wäre dann 47 Jahre alt… 🙂

Martin Gessler bei der Arbeit zu Brugg in Motion

Martin Gessler bei der Arbeit zu Brugg in Motion

Produktion

Die Produktion des dritten Teils fand in gut drei Monaten statt. Das es ja nicht gerade ein sehr schöner Sommer war, kam mir dies umso mehr gelegen, da praktisch immer Wolkenstimmungen am Himmel zu sehen waren, für Timelapse somit ideal. Fotografiert wurden rund 50 Standorte in und um Brugg. In den ersten zwei Teilen habe ich noch viele Multikoper Aufnahmen verwendet, was ich nun bei dritten Teil bis auf zwei Bilder aus der Vogelperspektive, gelassen habe. Gewählt habe ich vielfach die Abendstunden, da man dann einfach das schönste Licht zur Verfügung hat. Die Standorte kannte ich meistens, aber auch ich habe doch immer noch neue Plätze gefunden und dies wo ich schon fast mein ganzes Leben in Brugg wohne. Natürlich war es auch so, dass es nicht immer gepasst hat. Da waren mehrere Unterbrechungen wegen Regen, die Mücken machten mir massiv an den Gewässer zu schaffen und meistens gab es ein «Idiot» welcher sich natürlich an der ungünstigsten Stelle niedergelassen hat und überhaupt nicht zur Aufnahme gepasst hat. Auch gab es eine lustige Begegnung im Stadtpark, als mir eine betagte Frau mit Rollator ins Bild gelaufen ist und so dann im Zeitraffer dokumentiert wurde (logischerweise im Eiltempo aber erkennbar);-) Die Aufnahme habe ich dann bewusst nicht verwendet…

Aufnahme des Aarestegs Mülimatt

Aufnahme des Aarestegs Mülimatt

Arbeits – Technik

Timelapse (mit oder ohne Slider)

Die meisten Aufnahmen habe ich mit der Samsung NX30 mit dem Objektiv 16-50mm F2.0 – 2.8 gemacht. Dies meist in der Kombination mit dem Dolly Pocket Slider von Kessler inkl. Motion Control.
Ich wähle meist einen Intervall von 8 Sekunden, dies hat sich im Tageslicht mit Wolkenformationen gut bewährt. Zudem ist wichtig auf Blendenpriorität zu arbeiten, da sich die Tiefenschärfe nicht ändern darf. Bei Nachtaufnahmen sind die Intervalle länger, aufgrund der Belichtungszeit. Hier wähle ich einen Intervall von 20 Sekunden, bei einer ISO Zahl von 800 – 1600. Der heilige Gral der Timelapse Fotografie würde ich Sonnenauf- und Untergänge bezeichnen, hier geht es nur mit manuellem Arbeiten, da sich die Lichtverhältnisse innert Sekunden ändern. Auch wird meist vergessen, dass der Sunbreak, sprich der Sonnenaufgang welcher sichtbar ist, nur ca. eine Minute dauert. Auch bei mir war es so, dass ich diese Aufnahmen massiv bearbeiten musste im Lightroom, da ich einfach noch Lehrgeld bezahlen musste.
Den Slider habe ich auf eine Grundeinheit kalibiert. Die Länge ist rund 90cm und eine «Fahrt» dauert meistens 55 Minuten. Elementar beim Slider ist, dass mein ein Sujet im Vordergrund hat, ansonsten ist der Effekt, wo die Kamera wandert nicht sichtbar. Nach einer Session generiere ich meist eine Datenflut von rund 500 Bildern, welche für eine Sequenz von mind. 10 Sekunden absolut ausreicht. Anfangs habe ich vielfach mit RAW gearbeitet, habe dann aber schnell nur noch auf JPEG umgestellt. Die JPEG haben sich in den letzten Jahren qualitativ massiv verbessert und ich bin es einfach Leid diese monströsen Datenmengen auf meinen PC zu spielen. Die Nachbearbeitung der Fotos erfolgt dann immer im Adobe Lightroom mittels Synchronisation der Belichtung.

Dolly Pocket Slider von Kessler mit Motion Control

Dolly Pocket Slider von Kessler mit Motion Control

Hyperlapse

Für die dritte Produktion habe ich mich erstmals an das Thema Hyperlapse herangewagt. Diese bewegten Zeitrafferaufnahmen sind enorm aufwendig aber mit der entsprechenden Anleitung auf Youtube praktisch für jeden realisierbar. Die Arbeitstechnik dahinter ist noch richtiges Fotografieren, da man exakt arbeiten muss. Der Produktions-Ablauf für einen Passanten sieht zudem absolut bescheuert aus:-) Man fokussiert einen bestimmten Punkt bei dem zu fotografierenden Objekt mittels Hilfslinien im Sucher. Nachdem man das Bild belichtet hat, rückt man das Stativ (ohne dieses geht es nicht) rund 20 cm weiter und visiert wieder den gleichen Punkt beim Objekt an. Dieses Spiel macht man dann rund 300 Mal. Eben – sieht bescheuert aus….
Leider ist es damit noch nicht getan. Nachdem man die Bilder im Adobe Lightroom die Bilder korrigiert hat, kommt die Nachbearbeitung mittels Adobe After Effects zum Zuge. Hier muss man nun Bild für Bild stabiliseren. Heisst für eine Sekunde Film (welche min. 25 Einzelbilder braucht) ist der Produktionsaufwand mindestens ein bis zwei Stunden (inkl. aller Schritte)
Auch hier habe ich Lehrgeld bezahlt am Anfang. Meistens habe ich nicht exakt gearbeitet, oder die Sequenz war zu kurz um sie zu gebrauchen. Der Reiz am ganzen ist aber das man einen neuen Effekt schaffen kann, welcher die meisten noch nicht gesehen haben.

Nachtaufnahme bei der Mülimatt Turnhalle

Nachtaufnahme bei der Mülimatt Turnhalle

Daten

Für den dritten Clip wurden rund 25’000 Bilder belichtet, der Zeitaufwand hierfür war rund 60 Stunden, verteilt auf viele Tage.
Die Postproduktion selber war laufend, sprich nach einem Shooting habe ich die Bilder meist sofort am PC verarbeitet, damit man kontinuierlich ein Resultat sieht, was auch motivierend ist.
Ingesamt habe ich rund 700 GB Daten belichtet um dann diesen einen kurzen Clip zu machen. Der gesamte Postproduktionsaufwand beläuft sich auf etwa 50 Stunden.
Total habe ich drei Versionen geschnitten, ebenfalls mit drei verschiedenen Soundtracks.

Samsung NX-30 mit S Lens 16-35mm

Samsung NX-30 mit S Lens 16-35mm

Technik

Ich habe mit folgendem Material gearbeitet:

  • Samsung NX-30
  • Samsung NX-1 (Test Sample – nur wenige Aufnahmen, da spät verfügbar)
  • Samsung S Lens 16-35mm F2.0 – 2.8
  • Samsung TAB S für die Bildkontrolle via Smart Camera Sharing direkt ab der Kamera bei der Aufnahme
  • Manfroto Karbon Stativ
  • Kessler Dolly Pocket Slider 90cm mit Motion Controll
  • Adobe Lightroom
  • Adobe After Effects
  • Adobe Premiere

Brugg in Motion – Vol.III

Motivation

Warum ich dies überhaupt mache? Jeder braucht ein Hobby. Ich gehe fischen, allerdings ist es Licht und keine Tiere. Man lernt neue Orte kennen, weiss irgendwann wie man das Wetter interpretieren muss zum fotografieren und ist in der Natur. Der grosse Vorteil an Zeitraffern ist zudem das man warten MUSS! Heisst es bleibt genug Zeit um in der Natur ein Bier zu trinken (oder zwei:-)) und kann somit ideal abschalten. Auch ist zum meinem Job und Familie ein idealer Ausgleich und am Schluss hat man ein Endresultat. Auch habe ich zahllose Menschen beim fotografieren getroffen, welche sich für das ganze interessiert haben. Hier waren die Feedbacks immer gut (übrigens auch bei den Multikopter Flügen) und aufgrund der Zeitraffer war auch das Thema Datenschutz immer gleich vom Tisch:-) (ein weiterer Vorteil).
Natürlich spielt auch die Emotionale Komponente eine Rolle, dass ich das Projekt nach fast 60 Jahren weiterführen kann eine nicht unwichtige Rolle.

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